Corona – What’s Next? Wie wird sich der Umgang mit Hygiene und Infektionsprävention verändern?
Wer die Debatten in den Medien aufmerksam verfolgt, der wird schnell merken das sich das ganze Land nach Normalität sehnt. Das ist nach den letzten 1,5 Jahren der Entbehrung nur allzu verständlich. Jedoch ist es auch an der Zeit einmal ein Fazit zu ziehen und zu fragen:
Was haben wir eigentlich in den letzten Monaten gelernt und was davon wird nach der Pandemie bleiben?
Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Zu komplex sind die Interdependenzen in Bezug auf die getroffenen Maßnahmen. Für einige hätte der Lock-Down und die damit verbundenen Einschränkungen noch härter sein können, während andere ihre Grundrechte in Gefahr sehen. In eine finale Betrachtung müssen deshalb auch Gesellschaftliche- und Wirtschaftliche-Effekte mit einbezogen werden, die ggf. nicht in direktem Zusammenhang mit den getroffenen Maßnahmen stehen. Doch was bedeutet dies für die Zukunft und natürlich auch für das weitere Pandemiemanagement in der vierten Welle?
Zuerst bleibt einmal festzustellen das eine nationale Kraftanstrengung, wie sie zur Eindämmung einer Pandemie notwendig ist, durch verschiedene Strömungen und eine ungleiche Wissensbasis in der Bevölkerung erschwert wird. Zudem trägt gerade letzteres dazu bei, dass wissenschaftlich nicht fundierte Thesen und Falschinformationen leichter verbreitet werden können. Dies wiederum kann zu Widerständen oder einer Ablehnung von notwendigen Maßnahmen führen. In Deutschland haben wir in der Pandemie gesehen, dass eine systematische und flächendeckende Aufklärung der Bevölkerung durch Vermittlung relevanter Informationen nur unzureichend stattgefunden hat. Zwar wurde permanent über die Corona-Pandemie und deren Folgen berichtet, allerdings überwiegen durch die Diskussion einer volkswirtschaftlichen Perspektive. Beispiele hierfür sind die tägliche Darstellung der Inzidenzwerte oder Hospitalisierungsraten. Um eine Pandemie effektiv zu managen ist dies ein eher ungeeigneter Ansatz. Das folgende Beispiel aus der Wirtschaft soll dies verdeutlichen.
Wenn ein Unternehmen die Anzahl an Arbeitsunfällen reduzieren will, hilft es nur begrenzt die wöchentliche Statistik der Arbeitsunfälle zu veröffentlichen. Vielmehr sollte durch Trainings und gezielte Aufklärung das Verhalten des Einzelnen nachhaltig verändert werden, um präventiv Unfälle zu verhindern.
Abb.1: Aufklärung und Training als Basis von Infektions-präventionsstrategien
Gleiches Learning können wir auch aus der Corona-Pandemie ziehen. Natürlich diskutieren wir primär über den Impfstoff. Zur Eindämmung der aktuellen Pandemie ist dies auch der wesentliche Schlüssel. Allerdings ist noch ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung ungeimpft. Dabei schützt die Impfung durchaus nicht zu 100 Prozent und es gibt Personengruppen, die sich nicht impfen lassen können. Zudem gibt es neben Covid-19 viele weitere Viruserkrankungen, deren Verbreitung man durch zielgerichtete Infektions-präventionsmaßnahmen minimieren kann. Für das zukünftige Pandemiemanagement gilt auch, dass normalerweise bei neuen Viren nicht direkt ein Impfstoff zur Verfügung steht. Hier braucht es eine gewissen Zeit, die mit Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen überbrückt werden kann. Abb.1 soll dies verdeutlichen. Durch eine gezielte Aufklärung und Schulung der Bevölkerung ist es möglich Verhaltensweisen so zu ändern, dass sich Krankheitserreger weniger schnell verbreiten. Je mehr Personen aufgeklärt und geschult werden, desto mehr machen mit. Hierdurch entsteht zudem eine soziale Kontrolle und ein Train-the-Trainer Effekt. Gerade durch letzteren ist es auch möglich, bildungsferne Schichten zu erreichen. Um mit dieser Methode Erfolg zu haben, muss auch nicht diese gesamte Bevölkerung erreicht werden, da bei entsprechendem Verhalten der anderen auch von Maßnahmenverweigerern keine große Gefahr ausgeht.
Abb.2: Aufbau und Elementare Bausteine einer Präventionsstrategie
Wenn wir dieses Modell konkret auf einen Stufenplan zum Pandemiemanagement übertragen, wird dessen Nutzen deutlich. Abb.2 zeigt ein optimales Vorgehen bei einer Pandemie-Eindämmung. Gehen wir davon aus, dass sich ein neuartiges Virus verbreitet, so sind am Anfang vermutlich weder Medikamente noch Impfstoffe ad-hoc verfügbar. Deshalb müssen möglichst schnell Maßnahmen ergriffen werden, um das Virus einzudämmen und/oder die Zeit zu überbrücken bis Impfstoffe bzw. Medikamente zur Verfügung stehen. Der Stufenplan sieht hier drei Barrieren vor. Stufe 1 setzt auf konventionelle Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen. Hierbei kommt es darauf an, dass möglichst viele Personen in der Bevölkerung aufgeklärt sind und über das nötige Wissen in der Anwendung von Infektionsschutzmaßnahmen verfügen. Das Rahmenwert wird hierbei vom Staat bzw. den involvierten Unternehmen (Hygienekonzepte vor Ort) vorgegeben. Stufe 2 beschäftigt sich mit der Identifikation von Infizierten, bei denen sich trotz der Maßnahmen von Stufe 1 eine Infektion übertragen hat. Dies kann z.B. über Test und/oder digitale Kontaktnachverfolgungen erfolgen. Jedoch gilt auch hier, dass ohne richtige Aufklärung und Schulung die Maßnahmen meist nicht optimal laufen. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die uneinheitliche Teststrategie und die Ausgabe von Laientest ohne genaue Anwendungsvorgaben und Trainings. Sind Infizierte identifiziert, sollten diese isoliert werden, was in Stufe 3 passiert.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder zu einem Virusausbruch von globaler Tragweite kommt, ist relativ hoch. Abb.3 soll einmal beispielhalft Virusausbrüche der letzten 20 Jahre aufzeigen. Deshalb wäre es umso wichtiger auch in der aktuellen Situation schon Erkenntnisse abzuleiten, um beim nächsten Mal besser vorbereitet zu sein. Auch das Lernen innerhalb einer Pandemie kann essenziell sein. Verläuft die Pandemie, wie die aktuelle Corona-Pandemie, in Wellen, so müssen die Maßnahmen hierauf entsprechend angepasst werden. Das man das Verhalten der Bevölkerung in einem solchen Falle ohne entsprechende Routinen und das dafür notwendige Wissen bzw. die entsprechende Kommunikation nicht ad-hoc verändern kann, haben die lange Anpassungszeit aufgezeigt.
Abb.3: Virusausbrüche in einer globalisierten Welt
Wie wird sich die Situation in Deutschland vermutlich verändern?
Aktuell sieht es so aus, dass wir vermutlich auf einen ähnlichen Stand bei Hygiene und Infektionsprävention zurückkehren werden, wie wir ihn schon vor der Pandemie hatten. Die gesamte Kommunikation von Politik und Presse ist auf die Impfkampagne ausgerichtet. Eine nachhaltige Schaffung von Routingen, die Einführung neuer Hygienestandards oder die generelle Optimierung der Hygieneinfrastruktur steht derzeit nicht im Fokus der handelnden Akteure. Gleiches gilt für das Thema Infektionsprävention. Dennoch gibt es Lerneffekte, die sich aus der Pandemie ableiten lassen. In einem Teil der Bevölkerung ist es zu Lerneffekten gekommen, die durchaus nachhaltig sein können. Von staatlicher Seite sind hierbei keine größeren Impulse zu erwarten. Im Zuge der Corona-Pandemie haben sich aber einige sehr interessante privatwirtschaftliche Initiativen gegründet, die aktiv an neuen Hygienestandards arbeiten. Es bleibt aber abzuwarten, ob die zögerliche Haltung von öffentlicher Seite nicht ein Fehler ist. In der Pandemie haben wir oft beobachten können, das die Maßnahmenausgestaltung nicht selten in Extreme ausgeschalgen ist. Privatwirtschaftliche Unternehmen haben immer auch eine Gewinnerzielungsabsicht. Diese führt nicht immer zu den besten Lösungen, sondern kann auch zu Überreaktionen führen. So glich in der Pandemie manches Hotel oder Restaurant eher einem Krankenhaus, während an anderer Stelle der Umgang mit Infektionsprävention doch eher lax war.
Wir brauchen in Deutschland einen guten Mittelweg. Es geht nicht darum den Leuten eine übertriebene Hygiene beizubringen und krankenhausähnliche Verhältnisse zu schaffen. Jedoch sollte die Hygieneinfrastruktur einen gewissen Standard haben und die Bevölkerung in Hinblick auf die größten Infektionsrisiken aufgeklärt sowie geschult sein. Doch dafür braucht es den politischen und gesellschaftlichen Willen.
Der Text wurde geschrieben von Michael Di Figlia