Mehr Transparenz bei Lieferketten: Eine Betrachtung der Chancen und Risiken
Wieso es wichtig ist, mehr Transparenz bei Lieferketten zu schaffen, bei der Sanktionierung der Unternehmen aber eine differenzierte Betrachtungsweise gewählt werden sollte.
Als Spezialisten für Marktanalysen ist es oft Teil unserer Aufgabe Lieferketten aufzudecken und diese zu bewerten. Von daher haben wir in unseren alltäglichen Projekten permanent mit den Chancen und Risiken zu tun, die mit einer höheren Schaffung von Transparenz in diesem Bereich verbunden sind. Durch das Lieferkettengesetz gibt es nun neue Herausforderungen. Das neue Lieferkettengesetz wurde dieses Jahr verabschiedet. Was sind die wesentlichen Inhalte?
„Das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ soll mehr Fairness und Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten schaffen. Die Ausbeutung von Mensch und Natur sowie Kinderarbeit darf nicht zur Grundlage einer globalen Wirtschaft und unseres Wohlstandes werden.“ (Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller)
Hauptbestandteil des neuen Lieferkettengesetzes soll also demnach die Festlegung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen sein. Das deutsche Recht sah für Unternehmen bislang lediglich eine Berichterstattungspflicht über Maßnahmen zur Einhaltung von Menschenrechten innerhalb der Lieferkette vor. Jetzt ist es erstmalig rechtlich bindend.
Das Lieferkettengesetz: Chance und Herausforderung
Generell ist es erst einmal begrüßenswert Unternehmen nicht aus der Verantwortung zu nehmen, wenn es um die sozialen und ökologischen Standards bei ihren Zulieferern geht. Auch können sich durch eine detailliertere Betrachtungsweise in diesen Bereichen große Chancen für die Unternehmen ergeben. Jedoch ist es in einer globalisierten Welt oft nicht einfach den Weg vom Rohstoff über Halbzeuge bzw. Bauteile bis hin zum fertigen Produkt lückenlos nachverfolgen zu können. Die Frage ist, ob Unternehmen auf Basis ihrer Kapazitäten und ihres vorhandenen Know-hows flächendeckend in der Lage sind, Lieferketten aufzudecken und diese einer schlüssigen Bewertung zu unterziehen. Auch gibt es Lieferanten, die gar nicht gewillt sind bestimmte Informationen über ihre Produkte preiszugeben. Dies kann z. B. auch wettbewerbsbezogene Gründe haben. Ein weiterer Punkt ist, dass auf der Absatzseite Marktanalysen oft etabliert sind, während auf der Beschaffungsseite nicht selten Ausschreibungen und eher partielle Angebotsanfragen die Grundlage von Beschaffungsentscheidungen ausmachen.
Es ist dennoch wichtig, dass sich Unternehmensentscheider bewusst werden, dass durch das Lieferkettengesetz eine neue Wirklichkeit geschaffen wird, in dieser gilt: Nichtwissen schützt vor Strafe nicht. Deshalb ist es für Unternehmen, die global agieren, wichtig sich rechtzeitig zu informieren, um nicht existenzielle Fehler zu machen, nur weil die Herausforderungen manuell nicht händelbar scheinen.
Datenmanagement als Chance
Ein Lösungsweg kann es sein, sein bisheriges Vorgehen hinsichtlich ökologischer und sozialer Standards anhand von Datenmanagementsystemen analysieren zu lassen. Sogenannte EDI- und MDM-Systeme unterstützen Unternehmen dabei, Compliance Checks und Audits bei Tausenden von Lieferanten innerhalb kürzester Zeit durchzuführen. Durch die Bündelung von Informationen ist es möglich, dass Unternehmen auf Sollbruchstellen hingewiesen werden. Je nach bisherigem Vorgehen des Unternehmens ist Rechtsbeistand ein ratsames Mittel. Denn klar ist auch: durch das Fortschreiten von Digitalisierungsprozessen und einer höheren Transparenz hinsichtlich Informationsbeschaffung stehen Unternehmen, die sich nicht an Standards halten, zunehmend in der Pflicht transparent zu agieren.
Impulse aus der Textilbranche
Gerade bei B2C Produkten steigt auch das Bewusstsein auf Zielgruppenseite. So sind beispielsweise Textilunternehmen zunehmend in der Pflicht, Lieferketten offen zu legen, da Kunden immer mehr auf fair trade Mode setzen. Unternehmen wie H&M geraten zunehmend in die Abwärtsspirale, weil sie kaum glaubwürdig nachweisen können, nachhaltig und damit fair zu produzieren. Gleichzeitig gibt es immer mehr Unternehmen, die auf lokale Lieferketten setzen oder zumindest in Europa produzieren lassen. Hier zeigt sich ein zentrales Problem: wenn das Kind einmal in den Brunnen gefallen ist, ist es unglaublich schwer die Prozesse wieder umzukehren (siehe H&M). In der Textilbranche sind hinsichtlich ökologischer Aspekte in den letzten Jahren einige Impulse festzustellen: Nachhaltigkeit wird hier vor allem über drei zentrale Aspekte definiert: Glaubwürdigkeit, Umweltverträglichkeit und Sozialverträglichkeit. Eine Übersicht über Siegel – wie OekoTex – findet sich auf der Seite Siegelklarheit.de. Eine gewisse Skepsis ist allerdings auch hier angebracht. Der sogenannte „End of Line“- Aspekt wird nämlich aktuell von keinem Siegel abgedeckt. Zumindest ist es ein Anfang. Industrieunternehmen aus anderen Branchen sollten hier wachsam sein. Es empfiehlt sich neben Datenmanagementsystemen, auch „Green Officers“ einzuschalten. Wichtig bei der Analyse sind die Fragen (auszugsweise):
- Welche Stoffe setzen wir bei der Produktion ein? (Gibt es Alternativen?)
- Welche sozialen und ökologischen Standards verfolgen wir?
- Was verlangt unsere Zielgruppe?
- Wie sieht es mit der Wahrung von Normen und rechtlichen Standards aus?
Ein Anfang en puncto Nachhaltigkeit ist gemacht, wenn kleinteilige Prozessanalysen vollzogen werden. Angetrieben von den Fragen: Wo kann ich (noch) nachhaltiger werden und welche Verträge sichern Sozialverträglichkeit zu?
Erfolge durch Detailanalysen
Es gibt immer wieder Beispiele, in welchen Unternehmen durch kleine Veränderungen Großes bewirken können. Dem Laborhersteller Starlab beispielsweise ist es gelungen, bei der Herstellung im Spritzgussverfahren weniger Polypropylen (thermoplastischer Kunststoff) zu verbrauchen, indem die Pipettenspitze dünnwandiger gestaltet wurde. Dadurch hat sich der ökologische Fußabdruck des Unternehmens deutlich verringert. Am Ende ist es wohl eine Mischung aus Haltung, Pragmatismus und der Zusammenarbeit mit den richtigen Personen und Instanzen, die zu einer langfristigen Einhaltung gängiger Gesetze wie dem Lieferkettengesetz beiträgt.
Weitere Informationen
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Der Text wurde geschrieben von Michael Di Figlia und Kai Wichelmann