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Das kreative Spannungsfeld – kognitive Methoden zur Steigerung der eigenen Kreativität #2

Liebe Leser, vor einigen Wochen wurde Ihnen unterstellt, dass Sie folgende Fragen haben: Wie kann ich kreativer werden? Und: Wie kann ich andere dazu befähigen, kreativer zu sein? Sofern diese Fragen noch akut sind, lohnt sich eine neue Blickrichtung.



Motivation – Vertrauen Sie sich selbst

Motivation, Motiv, Wille oder Volition sind unser mentaler Treibstoff, so zu sagen das „Warum“ hinter jeder Handlung. Um am Ende dieser Zeilen da anzukommen, wo wir hinwollen, überspringen wir das „Was motiviert uns?“ – also keine freudsche Libido, keine Maslowsche Selbstverwirklichung – und beschäftigen uns stattdessen mit dem „Woher kommt unsere Motivation?“. Vereinfacht gesagt gibt es zwei Quellen, aus denen unsere Motivation entspringt: aus dem eigenen Inneren und von außen. In anderen Worten: intrinsische und extrinsische Motivation.


Für die interessierteren Leser*innen: Dieser Artikel und die hier dargestellten Zusammenhänge zwischen Motivation und Kreativität basieren auf den folgenden Theorien:

  1. Selbstwirksamkeit – Bandura, 1982 (bekannt durch sein Bobo Doll Experiment)
  2. die Kognitive Evaluationstheorie – Deci & Ryan, 1985
  3. das Zwei-Ebenen-Modell – Runco & Chand, 1995
  4. Flow – Csíkszentmihályi, 1997 (Aussprachhilfe gefällig? „Tschick Sent Mi Hai“)

 

Extrinsische Motivation – wenig Raum für Kreativität

Geld ist der bestbekannte und am häufigsten eingesetzte extrinsische Motivator im Arbeitskontext. Wir streben danach, Geld zu maximieren und das Nicht-Vorhandensein von Geld zu minimieren. Was diesen und andere extrinsische Verstärker, wie Dienstwägen oder Gewinnbeteiligung, anbelangt, sind die Regeln zur Maximierung und Minimierung klar: Man lerne viel und arbeite hart. Spielt man nach diesen Regeln, häufen sich positive Verstärker und Strafen bleiben aus. Kommt man von diesem Weg ab, wird man Schwierigkeiten haben (An dieser Stelle wäre eine abendfüllende Diskussion angebracht, aber im Sinne des Artikels schlage ich vor, der These zunächst zu folgen.).


Kreativität ist anstrengend und beansprucht unsere kognitiven Ressourcen. Ein kreativer Ansatz kann zudem zu zweifelhaften Ergebnissen führen. Warum sollten wir also einen völlig neuen, möglicherweise weniger praktikablen, Lösungsweg gehen, wenn es eine etablierte, praxisbewährte Alternative gibt? Menschen, so wie die meisten Lebewesen, handeln nach einer immer laufenden Kosten-Nutzen-Rechnung und versuchen, wenn möglich, Anstrengung und Zweifel zu vermeiden. Stattdessen bevorzugen wir Lösungen mit optimalen Aufwand-Ertrag-Verhältnis und einem Mindestmaß an Sicherheit. Dies entspricht der Essenz dutzender empirischer Funde von Deci & Ryan (1985 bis 2004), Finke (1988 bis 1992), Moreau & Dahl (2005 bis 2009) und Ward (1989 bis 2008).



Intrinsische Motivation – Warum wir doch die „extra mile“ gehen

Sind wir intrinsisch motiviert, kommt der Wille, einer Handlung oder Aufgabe nachzugehen, scheinbar aus unserem tiefsten Inneren. Wir erleben intrinsische Motivation beispielsweise als Stolz, als das Streben nach Autonomie oder einfach nur Spaß. Stolz nährt sich durch verbale Verstärkung, Lob und Anerkennung. Unser Streben nach Autonomie wiederum wird dadurch befriedigt, wenn wir uns als Urheber unseres Handelns wahrnehmen oder wenn wir das Gefühl der Entscheidungsfreiheit haben. Wo aber kommt der Spaß her?


Vorher ein kleiner Einwurf: Entscheidungsfreiheit und nach den Spielregeln spielen stoßen sich ein wenig, finden Sie nicht? Tatsächlich können extrinsische Verstärker die intrinsische Motivation, teils dramatisch, verringern. Zum Beispiel entdecken Deci, Koestner & Ryan (2001), dass leistungsabhängige Verstärker – je besser ich performe, desto größer die Belohnung – einen signifikant negativen Effekt auf intrinsische Motivation haben mit einer Effektstärke von d = -.88* (Eine schon fast absurd große Effektstärke!). Dasselbe kann auch mit Lob passieren. Normalerweise steigern verbale Verstärker unsere intrinsische Motivation, aber sobald diese als kontrollierend wahrgenommen, verschwindet der positive Effekt und kann sich sogar umkehren.



Flow – Maximale intrinsische Motivation

Je nach wissenschaftlicher Auslegung kann man sagen, dass Flow den Zustand der maximalen intrinsischen Motivation darstellt. Menschen erleben den Flow, wenn folgende Eigenschaften einer Tätigkeit gegeben sind:

  1. Wohldefinierte und gut erreichbare Ziele
  2. Unmittelbare und verstärkende Rückmeldung
  3. Ausgewogenheit zwischen Fähigkeiten und Anforderungsniveau
  4. Gewahrsein aller Aktionen und Ereignisse
  5. Nicht-Bewusstsein jeglicher Ablenkungen, Selbstvergessenheit und verzerrtes Zeitempfinden
  6. Keine Versagensängste
  7. Autotelismus – eine Handlung zum Selbstzweck, oder so viel wie „Der Weg ist das Ziel“

Selbstverständlich gibt es gerade zwischen kreativem Handeln und Flow einige Reibungspunkte (in derselben Reihenfolge wie oben):

  1. Die meisten kreativen Aufgaben sind schwach definiert und die Ziele liegen manchmal Jahrzehnte in der Zukunft.
  2. Kreativität schafft neuartige, manchmal disruptive Ergebnisse. Daher sind positive Rückmeldungen durch andere Personen zumindest zu Beginn eher rar. Jede Tätigkeit hat aber auch ein inhärentes Rückmeldungssystem, z. B. Tennis: Ball im Feld, gute Aktion; Ball im Netz, schlechte Aktion. Ab und an sind solche inhärenten Rückmeldungssystem gut versteckt.
  3. Unter anderem, weil kreativ zu lösende Aufgaben, wie in 1., häufig unscharf definiert sind, sind sie immens schwer und erfordern ein ebenso immenses Wissen um mögliche Lösungswege.
  4. Gewahrsein ist so ein typischer geisteswissenschaftlicher Begriff und bedeutet hier, dass man sich und seine Umwelt zu jeder Zeit vollständig spürt… wie Luke Skywalker oder Son Goku.
  5. Versuchen Sie, nicht an Eisbären zu denken. Sobald man versucht, sich einer Sache nicht bewusst zu sein, scheitert man bereits. Viel kann man in Sachen Nicht-Bewusstsein und Selbstvergessenheit nicht tun, denn diese sind mehr Begleiterscheinungen des Flow-Zustands als Voraussetzungen. Wo man ansetzen kann, ist, sich wann immer möglich in ablenkungsarme Situationen zu begeben oder zu lernen, Ablenkendes auszublenden.
  6. Das Ausbleiben von Versagensängsten erreicht man durch Selbstvertrauen, Kompetenz und der Unmöglichkeit negativer Konsequenzen, einfach oder?
  7. Autotelismus ist griechisch und bedeutet „selbst“ und „Ende“. Hier versteckt sich das Geheimnis


Selbstwirksamkeit – Where the magic happens

Wir erleben positive Affektzustände bei Tätigkeiten, in denen wir uns selbstsicher und selbstwirksam, oder effektiv fühlen. Gleichzeitig erleben wir Situationen, in denen wir keine Wirkung oder Kontrolle ausüben können, als beunruhigend. Effektiv oder selbstwirksam in diesem Zusammenhang heißt, dass wir eine Situation nach unseren Wünschen beeinflussen können.


Darum macht Glücksspiel so süchtig. Wetteinsätze sind Annahmen über die Zukunft. Wenn man gewinnt, konnte man offensichtlich die Zukunft vorhersehen. In anderen Worten konnte man Kontrolle über etwas faktisch Unkontrollierbares ausüben. Das bringt Puls, Spielspaß und Privatinsolvenz.


Um einen Effekt oder eine Wirkung ausüben zu können, müssen wir handeln. Daraufhin müssen wir sensibel und achtsam gegenüber unserer Umwelt sein, um Ziel- und Nebenwirkungen zu erkennen. Wenn diese Wirkungen unser Handeln bestätigen und bekräftigen, erlangen wir Selbstvertrauen. Aufgrund dieses Selbstvertrauens werden wir mit erhöhter Wahrscheinlichkeit diese Handlung erneut ausführen. Und mit jeder Iteration dieses Kreislaufs steigern wir nicht nur unser Selbstvertrauen, sondern auch unsere Kompetenz und dadurch, letztlich, Spaß.



Die Lehren – wenn empirische Befunde wie Kalendersprüche klingen

  • Am Anfang steht die Handlung.
  • Handeln Sie erneut.
  • Geben Sie nicht vorschnell auf.
  • Suchen Sie nach Selbstbestätigung, indem Sie achtsam gegenüber Ihrem Tätigkeitsumfeld sind.
  • Konzentrieren Sie sich auf die konstruktiven Elemente der Kritik.
  • Streben Sie nach Wissen und werden Sie in Ihrer Nische kompetent.
  • Seien Sie sich Ihrer Ziele bewusst und strukturieren Sie die zur Zielerreichung notwendigen Schritte, so komplex diese auch sein mögen.
  • Behalten Sie die Kontrolle über Ihr Handeln und seien Sie stets der Urheber Ihrer Entscheidungen.

Für diejenigen, die andere zu mehr Kreativität befähigen wollen, dürfte der letztgenannte Punkt etwas knifflig sein. Sobald Sie versuchen, Mitarbeiter*innen, die kreativ handeln sollen, zu kontrollieren, z. B. durch Boni oder Benefits, schmälern Sie deren intrinsische Motivation und damit ihr kreatives Potenzial. Irgendwie erinnert das an Schrödingers Katze – Schrödingers Kreativität, wo schon das bloße Hinschauen tödlich sein kann. Glücklicherweise – und im Gegensatz zur Katze – kommen kreative Menschen ja wieder aus ihrer Kiste und präsentieren ihre Ergebnisse. Alles, was Sie brauchen, ist Geduld.



Der Text wurde geschrieben von Philipp Rosar

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