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Lebensmittel

Warum der Berg noch nicht zum Propheten kommt?

Der ganze Haushalt ist von online bestellten Konsumgütern besetzt. Der ganze Haushalt? Nein! Ein von unbeugsamen Dinosauriern beherrschter Raum hört nicht auf, dem E-Commerce Widerstand zu leisten: die Küche, genauer gesagt der - ebenfalls online bestellte - Kühlschrank. Dessen Innenleben beschaffen Konsumenten selbst heute weitestgehend stationär.


Nach aktueller Berichterstattung belaufen sich die Umsatzanteile von online verkauften Nahrungsmitteln vieler großer Lebensmitteleinzelhändler auf weniger als 1 %, zum Beispiel die der Schwarz-Gruppe (u. a. Lidl), Rewe oder dem Schweizer Nachbarn Migros. Seltene Ausnahmen wie die niederländisch-belgische Ahold Delhaize Gruppe schaffen es auf etwa 2,5 %. Die sonst üblichen Größenverhältnisse im E-Commerce: Im vergangenen Geschäftsjahr verzeichnet Amazon international etwa 45 % der Umsätze des weltweit umsatzstärksten Lebensmitteleinzelhändlers Walmart. Wie kann das sein? Spaß am Einkaufen? Der soll online gut erlebbar sein, Zalando bringt seine Klientel angeblich zum Schreien. Sorge um Haltbarkeit? Auch kühl zu lagernde Medikamente kommen heute per Versand zum Patienten nach Hause.


Ein Teil der Antwort lautet: Infrastruktur.


Erinnern Sie sich an die bofrost-Autos? Die sind isoliert, denn die zu liefernde Tiefkühlware muss vor äußeren Temperatureinflüssen mindestens bis zur Haustür geschützt werden – dauerhaft, das heißt 24/7 bei -22 °C oder weniger, von der Produktion bis zum Verbraucher. Ähnlich verhält es sich mit kühl zu lagernder Ware, also beinahe sämtlichen Molkereiprodukten, Fleisch oder Früchten. Der Unterschied ist, dass jene Ware zwar nicht so energieaufwändig zu bewegen, dafür aber deutlich kürzer haltbar ist – denn sie haben noch keinen Schockfroster von innen gesehen. Dementsprechend sind sich in der Regel Produktionsstätten und Konsumenten räumlich nah.


Vergleichsweise simpel stellt sich die Logistik bei Mehl, Zucker oder Konserven dar. Normal temperierte Lebensmittel sind lange haltbar und ohne größeren Aufwand von A nach B zu transportieren. Interessant wird es erst bei Getränken in Mehrwegbehältern, zum Beispiel Bier. Flaschen und Kisten müssen nach Leerung wieder ihren Weg zurück in die Produktion finden. Mindestens Bierkästen sind allerdings wunderbar stabil stapelbar, selbst im vollen Zustand bis zu 15 Kisten übereinander ohne Regal.


Vier völlig unterschiedliche logistische Infrastrukturen fließen zwischen Produktion und Konsumenten ineinander. Die entsprechenden Nahrungsmittel bleiben dabei in größtmöglichen Gebinden so lange räumlich voneinander getrennt, bis sie zur finalen Bestellung konfektioniert werden. Im Supermarkt machen das die Konsumenten selbst, zum Beispiel per Griff in die Kühltruhe. Eine Onlinebestellung erfordert lagertechnisch allerdings mehr:

  1. Tiefkühl-, Frische-, Trockennahrung und teils sogar Getränke kommen in einem Verteilzentrum zusammen
  2. Aufwändige Versandbehälter mit unterschiedlichen Temperaturzonen
  3. Auslieferung in wenigen Stunden
  4. Versandbehälter müssen in das Verteilzentrum zurückgeführt werden

Daraus folgt, dass ein solches Lager hochflexibel und nah am Kunden sein muss, also eher in einer Metropolregion statt auf dem Land, also eher klein statt groß. Je kleiner das Lager, desto notwendiger sind große umliegende Pufferläger. Dazu ein Rechenexempel: Wenn erstens ein Lebensmittel E-Commerce Lager dieselbe Funktion wie ein Supermarkt erfüllt – die Zusammenführung des Handelssortiments sowie das Konfektionieren – und, wie bei Rewe in Köln, circa 80 Millionen Euro kostet, und zweitens die Baukosten eines Supermarkts um vier Millionen Euro schwanken, also etwa einem Zwanzigstel, wie viele Onlinebestellungen müssen jährlich eingehen, damit sich ein solches Lager lohnt?



Bei durchschnittlich knapp 1.000 Kunden pro Supermarkt pro Tag, also etwa 300.000 pro Jahr – abzüglich Sonn- und Feiertage – lautet die Antwort etwa sechs Millionen Bestellungen pro Jahr. Das entspricht grob einem Zwanzigstel aller Bestellungen bei Zalando im Jahr 2018. Zum Erreichen eines solchen Niveaus hatte Zalando zehn Jahre Zeit bei einem heutigen Wirkungsradius von bis zu 2.000 Kilometern. Diese Hürde zu nehmen ist eine Herkulesaufgabe. Und klassischerweise folgen beim Hürdenlauf mindestens neun weitere… Mal sehen, wer mir zuerst das vegane Steak nach Hause bringt: Aldi per Mausklick oder ein Protein Drucker…


 

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