Wie digitale Daten die Logistik beeinflussen
Tracking, Tracing und digitale Zwillinge – Wer erhält das Sorgerecht?
Sind Sie noch auf Facebook? Sofern Sie dort - oder auf Xing, Myspace, oder ElitePartner - ein Profil haben, gibt es von Ihnen einen digitalen Zwilling. Dritte können dadurch Informationen über Sie erlangen, ohne Sie live zu sehen oder gesehen zu haben. Kennen Sie Ihre Motorkontrollleuchte? Wenn Sie aufgrund derer, wenn sie denn blinkt, zur Werkstatt fahren, liest der dortige Mechaniker Ihren Bordcomputer aus. In anderen Worten: Er schaut sich den digitalen Zwilling Ihres Autos an.
Nehmen Sie sich einen kurzen Moment und überlegen Sie, welche Dinge noch mit einem digitalen Zwilling versehen sind. Das Beatmungsgerät auf der Intensivstation? Der Lieferando-Fahrer samt Ihrer bestellten Pizza? … Was ist eigentlich alles nicht mit einem digitalen Zwilling versehen? Weniges, aber die meisten Zwillinge stecken noch in den Kinderschuhen. Ein voll ausgewachsener digitaler Zwilling ist tatsächlich selten. Ein grobes Abbild der Realität und deren Hürden zeigt:
- Facebook-Profil
Manuelle Eingabe, einigermaßen freie Datenstruktur, großer Datensatz (z. B. selbst mein Profil, das schon seit Jahren brach liegt, hat eine Größe von 415 MB) - Bordcomputer Kfz
Keine dauerhafte Kommunikation der Daten, örtlich eingeschränkte Datenempfänger - Beatmungsgerät
Zugangsbeschränkung aufgrund des personenbezogenen Datenschutzes - Lieferando-Fahrer → GPS-Tracking
Batterie des GPS-Trackers muss regelmäßig aufgeladen werden
Klar ist, diese obenstehenden Hürden sind isoliert betrachtet kein großes Problem. Die Daseinsberechtigungen der oben skizzierten digitalen Zwillinge sind kreative Selbstdarstellung, Optimierung von Wartung und im weiteren Sinne Produktion, Vermeidung von Störfällen usw. und der Lieferando-Tracker bzw. die zeitgenaue Ortsbestimmung der Pizza ist manchmal spannender als Netflix. Die Form folgt der Funktion und der digitale Zwilling ist genauso gut, wie er sein muss.
Die digitale Gretchen-Frage
Nehmen wir aber kurz an, die Bedürfnislage wächst ins Unermessliche und der ideale digitale Zwilling existiert; das heißt eine Entität, die automatisch und kontinuierlich strukturell optimierte Daten sendet und über die hierfür notwendigen Energie-Ressourcen verfügt. Wir könnten also sämtliche Probleme wie Datenschutz, -speicherung, Sensorik oder Sendetechnik erfolgreich umschiffen und haben ein voll ausgereiftes Kommunikationstool zwischen Menschen und beispielsweise Flugzeugturbinen, Windkraftanlagen oder Kühlschränken. Die Zukunftsutopie ist digital. Alles kommuniziert. Nun die 1 Million Euro Frage:
Wer hat die Datenhoheit?
Oder am konkreteren Logistik-Beispiel gefragt: Wer darf den Zustand eines AGV auslesen? Still (AGV-Hersteller), Dematic (Generalunternehmer), SAP (Einrichter der digitalen Infrastruktur) oder BASF (Kunde)? In zukünftigen Zeiten, in denen alles in uns und um uns funkt, Daten aber astronomisch kostbar sind und sie daher (fast) niemand haben darf, wird der erste relevante Open Source Anbieter entweder der große Verlierer, ein Revolutionär oder - wie (fast) immer - beides sein.